Wer Wind sät, wird Sturm ernten

    Das Coronavirus ist derzeit Thema in allen Medien und in aller Munde. Noch immer ist das tatsächliche Ausmass der Folgen des Virus nicht realistisch abschätzbar – vor allem wirtschaftlich. Nicht zum ersten Mal kommt eine Epidemie aus dem Reich der Mitte. Wie SARS zum Beispiel, das die Welt schon einmal in Atem gehalten hat. Und wie SARS seinerzeit auch, hat das Coronavirus offenbar ebenfalls seinen Ursprung auf einem Wildtiermarkt, auf dem Fleisch von Affen, Krokodilen, Fledermäusen, Schlangen, Fröschen, sogar von Hunden und Katzen angeboten wird. Oft werden diese Tiere, gefangen in Käfigen, unter den denkbar schlechtesten hygienischen Bedingungen gleich vor Ort geschlachtet und zubereitet – wenn überhaupt. Denn eine Delikatesse sind für manche Chinesen beispielsweise auch lebende Mäusebabies. Kein Wunder also, dass sogenannte Zoonosen, diese zwischen Menschen und Tieren übertragbaren Infektionskrankheiten, hier die besten Voraussetzungen haben, sich zu verbreiten.

    Dieser eigentümliche Appetit der Chinesen auf Fledermäuse & Co. hat einen Hintergrund, der auf die Hungersnöte im 19. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts zurückführt, als die rasant wachsende Bevölkerung nicht mit dem wenigen Getreide auf den zu knappen Anbauflächen ernährt werden konnte. Heute gibt es zwar keine Hungersnöte mehr, geblieben ist aber die Gewohnheit, Speisen aus Wildtieren zuzubereiten – sowohl daheim als auch in Restaurants. Doch sind diese «Spezialitäten» heute weitgehend den Reichen vorbehalten. Arme können sich nämlich die relativ teuren Fledermäuse gar nicht leisten.

    Wildtiere gehören nicht in den Kochtopf
    Mit der Globalisierung, der enormen Entwicklung Chinas und der Reisetätigkeit rund um den Globus werden die aus China stammenden Viren immer öfter zu einem globalen Problem. Die totalitäre Regierung in China, welche in vielen Bereichen ihre Bevölkerung kontrolliert, wäre in der Lage, entsprechende Massnahmen zu ergreifen, um den Handel und Verzehr von Wildtieren permanent zu unterbinden. Das vorübergehende Handelsverbot, wie es die chinesische Führung dieser Tage, verhängt hat, wird meines Erachtens nicht ausreichen. Auch Aufklärung und Information ist wichtig, denn es könnte bewirken, dass sich die Bevölkerung bewusst wird, welche Probleme ihre Essgewohnheiten verursachen. Dabei geht es ja nicht nur um Gesundheitsrisiken, sondern auch darum, dass bestimmte unter Schutz stehende Arten deshalb aussterben. Auf der einen Seite präsentiert sich China als fortschrittlicher, hoch technologisierter Staat, und auf der anderen Seite gibt es unhygienische Märkte, von wo aus sich Epidemien verbreiten. Wie passt das denn zusammen?

    Aufklärung statt Aufrüstung
    Dieser Zustand muss geändert werden, und zwar umgehend, denn ansonsten werden sich weitere neue Viren in der Welt verbreiten. Der Mensch muss sich bewusst werden, dass vor allem er selbst für die Übertragung von Zoonosen verantwortlich ist: Wir reisen auf der ganzen Welt herum, dringen in abgelegene Gegenden vor und leben auf immer engerem Raum miteinander. Wegen des weltweiten Bevölkerungswachstums müssen wir neue Wege finden, die Hygiene zu verbessern, unsere Essgewohnheiten zu ändern, und nicht zuletzt auch für unser Klima Sorge zu tragen. Wir haben die finanziellen, technologischen und innovativen Möglichkeiten. Wenn ich bedenke, dass pro Tag 100 Milliarden US-Dollar für das Militär ausgegeben werden, könnte bei einer Reduktion von 10 bis 20 Prozent und Umschichtung dieser Gelder in die «richtigen» Kanäle viele der genannten Probleme lösen. Es kann sein, dass ich naiv bin, weil ich eine solche Wende in Betracht ziehe. Doch ansonsten wird die Konsequenz leider eine selbstregulatorische sein. Das heisst, Viren und andere Krankheiten werden das Bevölkerungswachstum automatisch korrigieren und eindämmen. Das tönt furchtbar, doch wenn der Mensch nicht aus seinen Fehlern lernt, wird dieses Szenario in Zukunft Realität.

    Eric G. Sarasin

    Vorheriger ArtikelLäckerli aus drei Jahrhunderten
    Nächster ArtikelAn der Schnittstelle für die Digitale Zukunft