Fachkräftemangel – Ein Schuss vor dem Bug

    Der aktuelle Fachkräftemangel-Index sorgt für viel Diskussionsstoff – Auch in der Region

    Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist nicht weg zu leugnen. Speziell KMU sind betroffen. Es fehlt besonders an Ingenieuren, Technikern und Berufsleuten in der Informatik und im Treuhandwesen. Damit die Folgen nicht zu empfindlich ausfallen, muss nun an verschiedenen Schrauben gedreht werden.

    (Bild: PEXELS) Könnte eine der Lösungen für das Problem sein: Mehr Frauen für Berufe mit Fachkräftemangel, in welchen wenige Frauen tätig sind, begeistern.

    Der aktuelle Fachkräftemangel-Index des Stellenvermittlers Adecco in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich zeigt auf, in welchen Bereichen bereits heute besonders viele Fachkräfte fehlen. So gab es in den ersten zwei Quartalen 2018 gesamtschweizerisch besonders viele offene Stellen pro arbeitslose Person im Treuhandwesen (inklusive Revisoren und Steuerberater/innen). Auf Platz zwei der Rangliste befinden sich bereits technische Berufe, zu welchen speziell Elektro-, Maschinen-, Heizungs-, Textil-, Fernmelde-, Hoch- und Tiefbautechniker/innen. Auch in der Region Basel. Dies erstaunt, denn die Nachfrage nach Technikerinnen und Technikern ist enorm. Wo jedoch der Schuh drückt, zeigt sich an einem bestimmten Punkt. Es wird ganz gezielt nach jenen Technikerinnen und Technikern gesucht, die «neues Wissen» haben und sehr praxisorientiert ausgebildet wurden. Terry Tschumi von der TEKO Basel, spezialisiert auf die Ausbildung von Techniker/innen HF und mit ausgezeichnetem Ruf für eine moderne, parxisorientierte Ausbildung: «Wer jetzt eine Ausbildung zur beziehungsweise zum Wirtschaftsinformatiker/in, Techniker/in – unter anderem auch im Fachbereich Energie und Umwelt – zur oder zum Ingenieur/in, Mechatroniker/in oder in der PR-Branche und Betriebswirtschaft macht oder sich für eine Karriere als Technische(r) Kauffrau/Kaufmann entscheidet, hat vorerst eine gute Wahl getroffen. Es ist jedoch wichtig, dass die Aus- und Weiterbildungsinstitute sich an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. Absolventinnen und Absolventen müssen heute zwingend vernetzt denken und handeln und aktualisiertes Wissen in die Praxis umsetzen können. Solchen Anforderungen muss man heute als Schule gerecht werden. Das tun wir in natürlich auch in unserem Ausbildungsbereich Technik.» Siehe: www.teko.ch/de/top/technik.

    Für Frauen, die immer stärker auch zu den so genannten «MINT» Berufen tendieren (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) bedeuten diese Entwicklungen ebenfalls Positives. In der Deutschschweiz ist der Erhebung vom Fachkräfte-Index zufolge der Fachkräftemangel bei den technischen Berufen am drängendsten. «Es ist für Unternehmen sehr schwierig, solche Vakanzen zu besetzen», sagt unter anderem Nicole Burth, CEO der Adecco Group Schweiz, in einer Pressemitteilung. Leider gäbe es ausserdem nach wie vor zu wenig Frauen, die eine Ausbildung in den klassischen Mint-Berufen absolvieren. Da setzt Terry Tschumi von der TEKO Basel an: «Wir können einen Zuwachs an Interesse für Techniker HF-Abschlüsse bei Frauen feststellen und bilden bei uns auch einige Frauen aus. Dieser Trend wird sich fortsetzen.»

    Eine der Lösungen: Mehr Frauen für Berufe mit grossem Fachkräftemangel
    Frauen weiter in den Arbeitsmarkt einzubinden, sei dabei eine wichtige Stossrichtung, wird auch Helen Buchs vom Stellenmarktmonitor Schweiz der Universität Zürich zitiert. Wichtig sei dabei, ihnen mehr Lust auf Berufe mit grossem Fachkräftemangel zu machen. Zwischen 2010 und 2016 ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen laut Seco bereits um 81’900 Vollzeitstellen gewachsen. Insgesamt wuchs das Arbeitskräfteangebot allerdings um 322’700 Vollzeitstellen. Die gleiche Analyse wird auch beim Studium der Erhebung vom Fachkräfte-Index deutlich: «In den Berufen am oberen Ende der Liste dürfte sich der Fachkräftemangel teilweise weiter akzentuieren», heisst es in den Studien zum Fachkräftemangel. Die Lücken in Berufen mit grossem Fachkräftemangel seien nur durch gezielte Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme zu schliessen. Die Bereiche, die intensiv nach Fachkräften suchen, seien bekannt. Dadurch dürften mehr Leute bereit sein, eine entsprechende gezielte Ausbildung zu machen.

    (Bild: TRINAT) Silvan Wirth (TEKO Basel, JETZ, TRINAT): «Technikerinnen und Techniker mit Praxiserfahrung und moderner, den Bedürfnissen des Marktes ausgerichteter Ausbildung haben gute Chancen im Jobmarkt der Zukunft zu bestehen.»

    Fachkräftemangel ist auch eine Chance für den Nachwuchs
    Dass der Fachkräftemangel bei den Technikerinnen und Technikern eine grosse Chance bedeutet, betonen auch die Trendscouts der HR Branche. Mit der «Smartifizierung» der Städte und der Digitalen Transformation in den Arbeitswelten 4.0 wird auch der Bereich Cleantech boomen wie kaum ein anderer. Als «Oase für grüne Technologie» sehen die Zukunftsforscher Mitteleuropa in wenigen Jahren. Es wird stetig in erneuerbare Energien investiert. So wird man immer häufiger die Berufsbezeichnungen «Abfall-Designer», Energieberater/in mit eidgenössischem Fachausweis, Fachmann/Fachfrau Entsorgungsanlagen und Rohstoffaufbereiter/in hören. Der Umwelt- und Klimaschutz schaffe «grüne Arbeitsplätze» sagen die Experten. In den letzten drei Jahren hat sich der Berufsmarkt dementsprechend angepasst. Somit haben eben genau die Techniker/innen HF in Energie und Umwelt (Tipp: www.teko.ch/de/top/technik/hf-technik/energieundumwelt) besonders gute Aussichten. Laut einer Oxford-Studie zur Zukunft des Arbeitsmarktes bleiben diese Berufe auch im Jahr 2030 noch immer stark im Trend. Generell sind aber Berufe gefragt, die viel mit dem Vernetzen von Fähigkeiten zu tun haben oder als Schnittstellen zwischen Berufsgruppen fungieren. Dies gilt auch für Ingenieurberufe (Architekten, Bauingenieure, Elektroingenieure), Berufe der Humanmedizin und Pharmazie (auch Ärzte, Apotheker und Praxisassistenten) und für (Wirtschafts-)Informatiker/innen. Da herrscht ebenfalls noch Fachkräftemangel und gute Leute werden stark gesucht.

    (Bild: TRINAT) Gute Techniker/innen HF mit relativ aktuellem Abschluss können sich bezüglich Jobsicherheit in den nächsten Jahren die besten Chancen ausrechnen. Beim aktuellen Fachkräftemangel haben sie zudem einen Vorteil im Bewerbungsprozess.

    Vernetzte, interdisziplinäre und fachübergreifende Denkweise ist gefragt
    Interessant ist auch ein anderer, sehr regional geprägter Ansatz: Das Studium Mechatronik trinational an der «TRINAT». Dies ist ein generalistisches, interdisziplinäres und praxisorientiertes Studium, das die Disziplinen Maschinenbau, Informationstechnik und Elektrotechnik miteinander verbindet. Das Studium Mechatronik trinational findet in allen drei Ländern im Dreiländereck statt. Dies ermöglicht neben der generalistischen und interdisziplinären Ausrichtung zusätzlich eine interkulturelle und internationale Prägung des Studiums. Die Studierenden studieren in Summe jeweils ein Jahr in jedem der drei beteiligten Länder. Die Unterrichtssprachen sind Deutsch, Französisch und in geringem Umfang auch Englisch. Die Sprachausbildung ist Bestandteil des Studiums Mechatronik trinational. Intensive Praxisphasen während des Studiums und gute Praxiskontakte zum Beispiel im Rahmen von Exkursionen. Das Studium Mechatronik trinational wird mit einer Bachelor Thesis abgeschlossen, die in einem Unternehmen durchgeführt wird und bei der das im Studium erworbene Wissen zum Tragen kommt. Zum Abschluss des Studiums erhalten die Studierenden Diplome der drei beteiligten Länder. Silvan Wirth, Dozent an der TEKO Basel und Leiter des Jugend Elektronik + Technikzentrum JETZ sowie Labor-Assistent der Fächer Mechatronisches Labor/Mechatronische Systeme an der TRINAT: «Durch die breite inhaltliche Ausrichtung entsteht bei den Studenten im Verlauf des Studiums eine interdisziplinäre, fachübergreifende Denkweise. Dies basiert nicht nur auf fachlichen Inhalten, sondern wird in Industriephasen und praktischen Arbeiten an der Hochschule vertieft. Ebenso erlernen die Studenten methodische Vorgehensweisen bei Projektmanagement und System Engineering, mit welchen sie aus einer Problemstellungen gezielt eine Lösung erarbeiten können.» Silvan Wirth betont zudem, dass durch die multinationale Ausrichtung die Sozialkompetenz gefördert und die Arbeit in internationalen Teams trainiert werde. «Die Absolventen sind somit in jeder Hinsicht auf die Herausforderungen der Arbeitswelt vorbereitet und finden auf hoher Ebene anspruchsvolle, interessante und gut bezahlte Anstellungen in der Industrie», so Wirth.

    Besonders KMU sind betroffen
    Generell sind in allen Fachbereichen Team- und Kommunikationsfähigkeit wichtig. Arbeitgeber beklagen bei ihrer Rekrutierung nicht nur einen Mangel an Fachkenntnissen, sondern auch an Soft Skills. Dies sei wichtig, denn trotz der Digitalisierung seien menschliche Stärken wie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Problemlösungskompetenzen und schriftliche und mündliche Kommunikation sehr gefragt – und zwar auf allen Stufen. Was ebenfalls auffällt: Besonders den Klein- und Mittelbetrieben (KMU) fehlt es an Fachkräften. Dies bestätigt unter anderem auch eine Studie der Credit Suisse. Grossbetriebe seien bekannter, sie böten gute Löhne und allenfalls mehr Optionen für Weiterbildungen. Das ziehe Fachkräfte eher an als kleinere Betriebe. Dabei sei vor allem in den KMU die Entfaltungsmöglichkeit oftmals grösser und somit der Job auch deshalb besonders attraktiv.

    JoW

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