Am 3. Juli ist es soweit – der Zoo Basel wird 150 Jahre alt und blickt auf eine erlebnisreiche Vergangenheit zurück. Olivier Pagan, Zoodirektor, gewährt Einblick in das vielschichtige Engagement des Zoos und erklärt unter anderem, wieso der Zolli niemals abgeschlossen sein wird.
Neben der Basler Fasnacht, den Basler Läckerli und dem FCB gehört der Basler Zoo, im Volksmund liebevoll «Zolli» genannt, wohl zu den wichtigsten Bestandteilen des Basler Kantönligeists. Seit 1874 begeistert der Zolli mit seinem vielfältigen Repertoire an Flora und Fauna. Ob das erstgeschlüpfte Flamingoküken in einem europäischen Zoo oder die erste Tagung der Welt-Zoo-Organisation, der Zolli gilt als Vorreiter in der Haltung und Züchtung von regionalen und exotischen Tieren. Eine Meisterleistung, die im 150. Jubiläumsjahr nun gebürtig gefeiert wird. Olivier Pagan, der heutige Zoodirektor, startete 1993 seine Karriere als Tierarzt im Zolli. 2002 wechselte er sein Amt und führt seit knapp 20 Jahren die Führungsposition mit vollster Hingabe aus. Im Gespräch mit der Basler Woche wird schnell ersichtlich, er kennt den Zolli besser als fast kein anderer.
Der Zoo Basel wird dieses Jahr 150 Jahre alt. Welche Bedeutung hat der Zolli für die Bevölkerung?
Olivier Pagan: 1874 wurde der Zolli auf Initiative der Ornithologischen Gesellschaft Basel, Verein für die Förderung von Vogelkunde und -schutz, als erster Zoo der Schweiz gegründet. Das ursprüngliche Ziel war es, einheimische Tierarten zu halten und der urbanen Bevölkerung die Natur und die Tierwelt näherzubringen. Im Laufe der Zeit hat sich der Zolli international als wichtiger Partner und Pionier in der Züchtung von seltenen, exotischen Tierarten etabliert. Er war der erste Zoo, welcher grosse Raubkatzen in einem Gehege mit Rückzugorten für trächtige Weibchen hielt. Der Zolli leistet einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung der internationalen Tierzucht.
1993 begannen Sie als Tierarzt im Basler Zoo zu arbeiten, seit 2002 bekleiden Sie das Amt des Direktors. Welche Bilanz können Sie bezüglich der letzten Jahre ziehen?
Die Bilanz, die ich ziehe, ist sehr positiv. Der Zolli verabschiedete sich früh von der Idee, Tiere bloss zu sammeln. Er verfolgt die Philosophie und Politik, das Verhalten von Tieren aufzuzeigen und so Biologie greifbarer zu machen. Dies bedeutet, dass wir die Tiere in einem möglichst realitätsnahen Umfeld halten. Tiere erzählen von sich aus unendlich viele Geschichten. Unsere Aufgabe ist es, diese Geschichte in ein Thema zu verpacken. Wenn man die Tiere bloss beobachtet, gehen die Zusammenhänge verloren. Wir verknüpfen die verschiedenen Geschichten miteinander. In unserem Etoscha-Haus beispielsweise haben wir neben «klassischen» Raubtieren auch insektenfressende Vögel, Schlangen oder Spinnen untergebracht. Wir zeigen damit, wie sich der Nahrungskreislauf zusammenstellt. Als Tierarzt sage ich immer, dass wir als Zoologischer Garten unseren Besuchenden Informationen subkutan, unter die Haut, spritzen müssen.
Wie hat sich der Zoo Basel in den letzten Jahren entwickelt?
Das Wichtigste für einen Zoo ist, dass er nie fertig gebaut ist. Er lebt von den neuesten Erkenntnissen aus der Tierhaltung und Feldbeobachtung. Die Aufgabe des Zoos ist es, neueste Erkenntnisse zu integrieren und für Besuchende zu übersetzen. Die Anlagen sind immer dem Wandel ausgesetzt. In den letzten 30 Jahren haben wir über 120 Millionen Schweizer Franken in die Neugestaltung dieser Anlagen investiert. Dem Zolli ist es somit gelungen, ständig auf dem neuesten Stand der Forschung zu bleiben. Unser Vogelhaus beispielsweise, welches heute «Vogelwelten» heisst, wurde 1927 erstellt. Damals waren dort 1400 Vögel in Einzelkäfigen beheimatet – eine immense Aneinanderreihung verschiedenster Vögel. In den letzten Jahren haben wir das Haus total saniert. Heute leben dort 100 Vögel. In dieser Urwaldhalle ist es uns möglich, die Vögel in einem naturnäheren Habitat zu zeigen. Menschen lernen nicht nur, wie die Tiere aussehen, sondern auch, wie sie sich verhalten.
Sie sind seit über 20 Jahren Zoodirektor. Worauf sind Sie am meisten stolz?
Unsere Hauptakteure sind Tiere. Ich finde es schwierig zu sagen, worauf ich als Direktor stolz bin. Als Zoodirektor habe ich in den letzten Jahren gelernt, dass es wenig bringt, wenn ich mit einer Fahne auf dem Pferd vorausreite und sage: «Mir nach, Marsch.» Als Zoodirektor muss ich wie ein Kapitän eines Segelbootes agieren. Ich stehe hinten und schaue, dass alle auf dem Boot bleiben. Ich bin hier umgeben von hunderten Mitarbeitenden, welche alle Spezialist/-innen auf ihrem Gebiet sind. Diese geballte Expertise muss ich in die gleiche Richtung lenken, damit wir alle auf das gleiche Ziel zusteuern.
Der Zoo Basel gilt als Naturschutz-Oase. Wie fördern Sie den Naturschutz?
Beim Naturschutz spielen zwei Aspekte eine wichtige Rolle. Auf unserem Areal von 12 Hektaren befindet sich eine Vielfalt an exotischer und lokaler Natur. 2008 führten wir eine Untersuchung durch, welche analysierte, wie viele Pflanzen- und Tierarten in unserem Garten ausserhalb der Gehege leben. Die Untersuchung ergab, dass sich unser Repertoire aus 3100 Tier- und Pflanzenarten zusammenstellt. Davon sind 75 Arten neu für Basel und 31 neu für die gesamte Schweiz. Wir sind ein Biodiversität-Hotspot für (neue) regionale Natur. Diese Natur müssen wir stets pflegen und hegen. Der Zolli beginnt nicht erst mit den Tiergehegen, sondern spielt sich schon davor ab. Wenn wir unsere Anlagen erneuern möchten, müssen wir diesen Naturschatz in Erinnerung behalten, sodass wir ihn nicht zerstören.
Der zweite Aspekt ist der internationale Naturschutz vor Ort. Wir haben nicht nur die Aufgabe, Tiere tiergerecht und artgemäss im Zolli zu halten, sondern haben auch den Anspruch, den Erhalt dieser Tierarten weltweit zu schützen. Im Zolli müssen wir deshalb eine gesunde und genetisch diverse Population beispielsweise an Panzernashörnern heranzüchten. Zudem stärken wir die Lebensräume der Panzernashörner in der Wildnis. Wir vernetzen uns mit den verschiedensten Organisationen und Stiftungen, um zusammen Panzernashörner vor dem Aussterben zu schützen.
Der Zoo Basel gilt auch als Stadt-Oase. Welche Herausforderungen gibt es?
Viele. Als der Zolli gegründet wurde, befand er sich am Südrand der Stadt. Im Laufe der Zeit hat sich die Stadt um den Zolli ausgebreitet. Dies führt dazu, dass uns nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung steht, die nicht gross erweitert werden kann. Sobald wir bei der Anlage A etwas verändern, hat dies Folgen auf Anlage B und C. Diesen Dominoeffekt im Griff zu behalten ist schwierig. Das Risiko dabei ist hoch, dass man schlussendlich keine Änderung vornimmt und aufgibt. Eine weitere Herausforderung ist die parkähnliche Atmosphäre, die den Zolli schlussendlich zu einer Stadt-Oase macht. Diese Grünflächen benötigen Platz. Platz, welchen Tierhalter/-innen gerne für Tieranlagen nutzen würden. Einen Kompromiss zu finden, der für alle stimmt, benötigt viel Arbeit und Konsenssuche.
Der Zoo Basel sieht sich auch als Bildungs-Oase. Welches Bildungsangebot gibt es?
Hier im Zolli unterscheiden wir zwischen informeller und formeller Bildung. Informelle Bildung findet man in Form von Schildern, Plakaten und den Tieren selbst, denen man während des Besuchs begegnet. Unter formeller Bildung verstehen wir Bildungsangebote für Schulen, welche man in Form von Projektwochen, Workshops oder Führungen erlebt. Mit diesen verschiedenen Angeboten ist es uns möglich, unser Hauptziel, Tiere den Menschen näherzubringen, zu erfüllen.
Wie gestalten sich die Jubiläumsfeierlichkeiten am 3. Juli?
Die Jubiläumsfeierlichkeiten sollen zum grössten Teil eine Überraschung bleiben. Sie müssen am 3. Juli am besten selbst vorbeikommen und dieses Fest hautnah miterleben. Ein Geheimnis kann ich aber schon im Voraus lüften: Wir werden die Eintrittspreise des Jahres 1874 zurückbringen. Tickets werden nur 50 Rappen pro Erwachsene kosten (zuzüglich Naturschutzfranken); Kinden sind gratis.
Welche Hauptbotschaft möchte der Zoo Basel den Besucher/-innen in Zukunft mitgeben?
Unser Hauptziel ist es, Menschen für Tiere zu begeistern. Nur wenn man begeistert und glücklich ist, ist man auch offen, Neues zu lernen. Unser höchstes Ziel wird also immer eine top Tierhaltung sein, damit sich alle, ob Tier oder Mensch, im Zolli wohlfühlen. Unsere Hauptbotschaft ist es, die Wichtigkeit des Naturschutzes zu untermauern. Denn Schutz der Biodiversität bedeutet auch Schutz von uns Menschen. Deswegen müssen wir immer engagiert bleiben und uns für den Naturschutz einsetzen, wie es der Zolli schon seit 150 Jahren macht.
Lilly Rüdel