Seit nunmehr 80 Jahren bietet das Zentrum für Tropen- und Reisemedizin eine medizinische und diagnostische Anlaufstelle für Reisende aus der Region. Schweizweit ist es das grösste Kompetenzzentrum in Tropen- und Reisemedizin und berät jährlich rund 15’000 Kund/innen aus der Nordwestschweiz. Anfangs Januar wurde der neue Standort des Zentrums für Tropen- und Reisemedizin im Turmhaus 2 am Aeschenplatz offiziell eröffnet. Grund genug, mit Direktor Prof. Dr. Jürg Utzinger, die breitgefächerten Dienstleistungen des Swiss TPH näher zu beleuchten.
Das Swiss TPH operiert seit dem 1. April 2022 aus seinem neuen Hauptsitz «Belo Horizonte» in Allschwil. Nun verlässt auch das Zentrum für Tropen- und Reisemedizin den historischen Standort und zieht per 1. Januar 2024 von der Socinstrasse ins Turmhaus am Aeschenplatz. Worin sehen Sie die Chance am neuen Standort?
Prof. Dr. Jürg Utzinger: Seit 80 Jahren beraten, impfen, diagnostizieren und behandeln die Ärztinnen und Ärzte der medizinischen und diagnostischen Abteilung des Swiss TPH in Basel Reisende in tropische Gebiete. In unseren neuen, modernen Praxisräumen mit Sprech- und Beratungszimmern, Labors und Büros werden wir dies in Zukunft noch besser tun und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen leisten. Mit dem Turmhaus haben wir dafür einen idealen Standort gefunden. Als grösstes Kompetenzzentrum für Tropen- und Reisemedizin in der Schweiz hat das Zentrum im vergangenen Jahr über 16’000 Menschen aus der Region Basel beraten. Mit dem neuen Standort, nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt, sind wir nun noch zentraler erreichbar.
Das Swiss TPH setzt sich dafür ein, die Gesundheit der Menschen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene sinnvoll und messbar zu beeinflussen. Was sind die Dienstleistungen des Swiss TPH sowie Ihre Tätigkeiten?
Mit einer einzigartigen Kombination von Forschung, Lehre und Dienstleistung tragen wir zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen bei, indem wir Krankheitsbilder und Gesundheitssystem besser verstehen und dieses Wissen effektiv einsetzen. Zusammen mit unseren Partnerinstitutionen arbeiten wir an über 350 Projekten in 120 Ländern in Bereichen wie Infektionskrankheiten und nicht-übertragbare Krankheiten, Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit sowie Gesundheitssysteme und -programme. Zu unseren Dienstleistungen gehören neben der Beratung und Behandlung von Reisenden auch unser Diagnostikzentrum, das auf die Diagnose von tropischen Infektionskrankheiten spezialisiert und als Nationales Referenzzentrum der Schweiz für Importierte Parasitosen dient. Zudem führen wir klinische Studien für neue Medikamente und Impfstoffe unter schwierigen Bedingungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen durch. Wir beraten Regierungen und setzen Projekte um, mit dem Ziel, die Gesundheitssysteme zu stärken und den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Was sind die grössten Meilensteine in der 80-jährigen Geschichte des Swiss TPH?
Das Swiss TPH wurde 1943 inmitten des Zweiten Weltkrieges gegründet, um eine drohende Arbeitslosigkeit nach dem Krieg abzufedern. Seit Beginn liessen sich im sogenannten ‹Tropeli› Missionare, Forschende und Abenteurer aus der ganzen Schweiz beraten, um sich umfassend auf die Reise und das Leben in der Ferne vorzubereiten und sich vor tropischen Erregern zu schützen. Rudolf Geigy, der Gründer des Swiss TPH, erforschte in Tansania die Afrikanische Schlafkrankheit, die Malaria und das Afrikanische Rückfallfieber. In den 1950er Jahren wurden die Forschungsinstitute in Côte d’Ivoire und Tansania gegründet, welche bis heute wichtige Partner des Swiss TPH sind, bei vielen gemeinsamen Forschungsprojekten und in der Ausbildung von Studierenden und Fachkräften. Ein weiterer Meilenstein bedeutete die Integration des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel im Jahr 2009. Damit wurden traditionelle Themen der Epidemiologie und Infektionsbiologie durch Public-Health Schwerpunkte (Umwelt-Gesundheitsforschung, nicht-übertragbare Krankheiten, Gender-Gesundheit) erweitert. Mit weltweit knapp 1000 Mitarbeitenden und Studierenden ist das Swiss TPH heute das grösste Forschungs-, Lehr- und Dienstleistungsinstitut der Schweiz im Bereich Public Health und globale Gesundheit.
Anfang 2022 haben wir unseren neuen Hauptsitz in Allschwil bezogen. Das neue Gebäude mit modernsten Arbeits- und Laborplätzen deckt den durch unser Wachstum gestiegenen Raumbedarf und ermöglicht es uns, die globalen Herausforderungen der Gesundheit interdisziplinär anzugehen. Wir waren eine Ankerinstitution auf dem BaseLink-Areal, wo einer der grössten Life Science Hubs Europas mit innovativen Unternehmen und Organisationen entsteht, die hier arbeiten und forschen. Mit diesem Schritt ist die Transformation von ‹Tropeli› zum ‹Swiss TPH› vollzogen und wir können unsere Mission noch konsequenter vorantreiben.
Ihre Mitarbeitenden, Studierende und Partner arbeiten an über 350 Projekten in 120 Ländern. Welche haben Priorität oder anders gefragt, welches sind die Leuchttürme?
Unsere Projekte reichen von der Grundlagenforschung im Labor beispielsweise für neue Medikamente über die Testung von neuen Behandlungen unter realen Bedingungen bis hin zur Anwendung in der Praxis. Als Partner der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind wir beispielsweise eines der weltweit führenden Institute in der Erforschung neuer Therapien und der Durchführung von klinischen Studien im Bereich der parasitären Wurminfektionen in afrikanischen Ländern. In Osteuropa arbeiten wir in Projekten zur Verbesserung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung und zur Stärkung der Gesundheitssysteme. In der Schweiz arbeiten wir an wichtigen Langzeitstudien, um die Entstehung von chronische Krankheiten und den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Gesundheit besser zu verstehen. In der Region Basel überwachen wir die Ausbreitung der Tigermücke, potentielle Überträgerin von Krankheiten wie Dengue- oder Chikungunya-Fieber.
Sie arbeiten gerade an der neuen 4-Jahres-Strategie (2025-2028). In welche Richtung geht sie, wo liegen die Prioritäten?
Unsere Mission, die Gesundheit weltweit zu verbessern, bleibt. Neu auftretende Infektionskrankheiten, Zoonosen – also Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können – sowie Hitzewellen oder andere klimabedingte Extremereignisse sind zunehmende Risiken, die unsere Gesundheit bedrohen. Wir werden uns deshalb in Zukunft verstärkt mit den zunehmenden globalen gesundheitlichen Herausforderungen an der Schnittstelle von Klimawandel, Umwelt und Gesundheit befassen. Wir setzen uns auch verstärkt in Expertengremien ein, um evidenz-basierte Informationen für Entscheidungsträger zur Verfügung zu stellen.
Sie setzten sich schon länger dafür ein, dass das Swiss TPH eine führende Rolle in der Vorbeugung und Bekämpfung zukünftiger Epidemien und Pandemien einnehmen soll. Warum halten Sie das Swiss TPH für geeignet, diese Rolle auszufüllen?
Während der COVID-19-Krise haben wir eine wichtige Rolle gespielt, beispielsweise mit der Bereitstellung von Daten als Entscheidungsgrundlage für die Politik oder in der Forschung zur Ausbreitung und Bekämpfung der Krankheit in der Schweiz und international. Wir verfügen über ein einzigartiges Netzwerk mit Partnern in 120 Ländern, das wir als Frühwarnsystem nutzen können und wir haben viel Erfahrung in der Bekämpfung von Epidemien in anderen Ländern. Zusammen mit weiteren wichtigen Institution in der öffentlichen Gesundheit könnten wir eine wichtige Rolle in der Bekämpfung künftiger Epidemien und Pandemien übernehmen.
Wie sollte die Politik die Forschung in der Schweiz fördern und welche Bedeutung hat das Swiss TPH dabei?
Der Ausschluss der Schweiz von den EU-Forschungsprogrammen war in den letzten drei Jahren für uns als internationales Forschungsinstitut, wie auch für andere Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitute, ein grosser Nachteil. Während das Swiss TPH früher einige grosse europäischen Forschungsprojekte leiten konnte und hoch kompetitive Grants des European Research Councils (ERC) an herausragende Forschende erhielt, konnten wir in den letzten drei Jahren keine neuen Anträge einreichen. Immerhin bietet der Schweizerische Nationalfonds (SNF) Übergangslösungen an, aber wir wollen in der Europäischen Champions League mitspielen. Um international wettbewerbsfähig und als Arbeitsort für Forschende attraktiv zu bleiben, ist ein rascher, voller Zugang zu den EU-Forschungsprogrammen entscheidend. Dies stärkt nicht nur unser Institut, sondern den Forschungsstandort Basel und die Schweiz insgesamt.
Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten aus weltgesundheitlicher Sicht? Wo ist Handlungsbedarf?
Der Klimawandel bringt neue Gesundheitsrisiken mit sich. Mit den steigenden Temperaturen breiten sich Tropenkrankheiten, wie das West-Nil- oder Dengue-Fieber auch in Europa aus. Forschende am Swiss TPH arbeiten eng mit den Behörden zusammen, um die Ausbreitung der Mücken, die potentielle Krankheitsüberträger sind, zu überwachen und einzudämmen. Ein weiteres grosses Problem sind zunehmende Resistenzen gegen Medikamente wie Antibiotika, aber auch Malariamittel oder Medikamente zur Behandlung von parasitären Wurminfektionen. Deshalb arbeiten wir mit unseren Partnern an der Entwicklung neuer Medikamente, aber auch an neuen Diagnose- und Behandlungsansätzen, um beispielsweise der übermässigen Verschreibung von Antibiotika entgegenzuwirken.
Interview: Corinne Remund
Swiss TPH – Kompetenz für Gesundheit weltweit
Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) ist ein weltweit renommiertes Institut auf dem Gebiet der globalen Gesundheit mit besonderem Fokus auf Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen. Assoziiert mit der Universität Basel, verbindet das Swiss TPH Forschung, Lehre und Dienstleistungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Rund 950 Personen aus 80 Ländern arbeiten am Swiss TPH in Bereichen wie Infektionskrankheiten und nicht-übertragbare Krankheiten, Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit, sowie Gesundheitssysteme und -programme.