Basel und die «Expats»-Polemik

    Studie lässt durchblicken: Fühlen sich die «Expats» in unserer Region unwohl?

    Daten aus der jährlichen Expat Insider 2016 Studie von InterNations, einem weltweiten Netzwerk für Expats, liessen zuletzt aufhorchen: In vielen Kategorien der Studie platzieren sich die drei grossen Städte Basel, Zürich und Genf in den unteren Plätzen. In der Kategorie «Eingewöhnung im Gastland» belegt Basel sogar den letzten Platz. Dies hat in der Region zu einer Polemik geführt und in den sozialen Netzwerken und Kommentarspalten der Online-Portale ging es hoch zu und her.

    (Bilder: JoW) Basel und der Roche-Turm: Viele Expats arbeiten in Basel im Pharma-Bereich. Im Bereich Lebensqualität und Arbeitsbedingungen schneidet Basel gut ab.

    Die Reaktionen auf die jeweils immer prominent promotete Studie «Expat Insider» von InterNations, an welcher sich diesmal über 14’000 Expatriates mit 174 verschiedenen Nationalitäten beteiligten, waren in Basel und Umgebung heftig. Speziell, als es um die wenig schmeichelhaften Aussagen  bezüglich der Integration der ausländischen Wohnhaften und Arbeitenden in Basel und der Region ging. In der Kategorie «Eingewöhnung im Gastland» belegt Basel den letzten Platz unter den 35 weltweit beliebtesten «Expat»-Destinationen. Besagte Studie ist eine der umfangreichsten weltweit, die sich mit den Lebensbedingungen von Expats befasst. Folgende Aussagen in den Social Media Netzwerken und Kommentarspalten der Onlinemedien waren zu lesen: «Wie wollen sie als Arbeitsnomaden, die nicht einmal einen deutschen Satz sprechen wollen und fast nur untereinander interagieren, sich integrieren und einheimische Freunde in der Region gewinnen?». Andere wiederum suchen die «Schuld» am Verhalten der Einheimischen. Die Polemik ist in einer Region mit einem Ausländeranteil von rund 35 Prozent nicht zu unterschätzen und durchaus vorhanden. Nur 36 Prozent der ausländischen Teilnehmer gaben an, sich in der hiesigen Kultur heimisch zu fühlen. Auch beim Thema Freundschaften im Ausland findet sich Basel auf dem letzten Platz wieder. 36 Prozent der Befragten gaben diesbezüglich eine negative Bewertung ab. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum ausgerechnet am Dreiländereck eine solche Stimmung möglich ist.

    Beim Thema Lebensqualität und Sicherheit kann Basel bei den «Expats» punkten: Blick auf die «Dalbe».

    Basel:  Schweizer Klassenbester, aber Letzter in einer wichtigen Kategorie
    Auch andere Schweizer Regionen kommen schlecht weg: Zürich landet bezüglich «Freundlichkeit der einheimischen Bevölkerung» auf dem weltweit letzten Platz. Nicht einmal Genf glänzt mit besseren Werten. Alle drei «Expats»-Hochburgen der Schweiz belegen in der Kategorie «Eingewöhnung im Gastland» die untersten Ränge. Etwas besser schneidet Basel ab in der Bewertung bezüglich Arbeitsmöglichkeiten und Finanzen: Basel reiht sich da in der Studie sogar weltweit auf Platz zwei ein – und das noch vor Zürich, das auf dem fünften Rang klassiert ist. Mehr als drei Viertel der «Expats» in Basel  sind zufrieden mit ihrer Arbeitssituation und der finanziellen Lage und auch beim Thema Sicherheit und Lebensqualität werden Spitzenbewertungen abgegeben: Auch hier ist Basel (sechster Platz weltweit) vor Zürich (7.) klassiert. Dennoch: Die Schweizer Städte erhalten  in der allgemeinen Bewertung Noten, die noch knapp über dem globalen Durchschnitt liegen. Basel ist mit Platz 12 der Sieger unter den Schweizer Städten. Zürich folgt auf Platz 14, Genf auf Platz 16.

    Die Gefahr des «Expat-Syndroms»
    Das Gefährliche an solchen Studien sind die Gräben, die durch ehrliche, aber auch negative Beurteilungen zum Gastland damit noch tiefer zwischen einheimischer Bevölkerung und den Expats geschaffen werden. Vorurteile werden auf beiden Seiten kultiviert und/oder bestätigt.

    Dabei müssen sich die Betroffenen mit dem so genannten «Expat-Syndrom» auseinandersetzen: Das Expat-Dasein beinhaltet nämlich immer wieder Herausforderungen im Bereich der sozialen und kulturellen Koexistenz. Eben diesen Zustand einer gewissen Hilflosigkeit der geschätzten «Arbeitsnomaden», die immerhin in gewissen Regionen einen grossen Anteil am volkswirtschaftlichen Erfolg ausmachen, wird häufig als «Expat-Syndrom» bezeichnet.

    Messe Basel: Kulturell und eventmässig viel zu bieten.

    Fehlende Integration: Ausbrechen aus dem goldenen Käfig
    Tatsache ist nämlich: Die meisten Expats wollen partout verhindern, dass sie sich in einem Mikrokosmos wieder finden, der einem goldenen Käfig gleichkommt: Es ist offensichtlich, dass bei den meisten Expats in Europa die sozialwissenschaftliche und psychologische Sensibilität für das Handling dieses besonderen Lebensabschnittes steigt. Und in diesem Lebensabschnitt haben viele mit dem «Expat-Syndrom» zu kämpfen. Dabei spielen einige Missverständnisse eine Rolle: Erstens, ein Expat ist kein «Auswanderer», sondern ein fest angestellter, meist für besondere Fähigkeiten fachlich ausgewiesener Mitarbeiter, der in der Regel mit Partner oder Familie von seiner Firma für eine manchmal, aber nicht immer festgelegte Dauer ins Ausland geschickt wird. Einige kehren entweder zurück in ihr Heimatland oder migrieren für ihre Firma in ein weiteres Drittland. Andere bleiben aber auch für viele Jahrzehnte oder gar immer im Lande. Manche dieser Expats haben bereits eine Expat-«Karriere» hinter sich, die Mehrheit jedoch kommt noch immer meist direkt aus ihren Heimatländern.

    Das Expat-Syndrom äussert sich dahingehend, dass eine fehlende Integration nicht wie bei anderen Migrantengruppen als «problematisch» eingestuft, sondern als geradezu «normal» angesehen wird.

    Diese «Nomaden der Globalisierung» bekommen dann im Laufe ihres Auslandsaufenthaltes oft Symptome einer sogenannten «Depersonalisierung». Dabei ist der Verlust oder die Veränderung des vorherigen Persönlichkeitsgefühls gemeint (Quelle: http://community.zeit.de/). Die eigene Identität wird dabei in Frage gestellt. Umgangssprachlich spricht man oft von «Identitätskrisen».

    So wollen Expats mit Weitsicht dieses Leben in so genannten «gated commnunities» verhindern und möchten nicht nur auf kulturell vertraute Primärkontakte in der eigenen Community angewiesen sein. Unter diesen bilden sich zwar Freizeitbekanntschaften und finden sich Hobbypartner, man macht Sport und lädt sich gelegentlich zum Essen ein. Aber man findet dennoch oft niemanden, den man als wirklich guten Freund im klassischen Sinne bezeichnen würde. Da die Kontakte sowohl zur «gated community» wie auch zu den Einheimischen aus diesem Grunde oft formell und von einer gewissen Reserviertheit gekennzeichnet sind, könne sich, so wird geschrieben, sich bei Expats oft ein Gefühl der Isolation und Einsamkeit in einem «goldenen Käfig» einstellen.

    JoW


    1. Vereine gründen und Stammtische oder auch Networking-Parties machen inklusive Durchmischung der gated community mit derjenigen des erweiterten Netzwerks ausserhalb der Expat-Gesellschaft (also mit den mit Einheimischen).
    2. Reisen innerhalb des Gastlandes und Freizeitbeschaeftigungen vor Ort mit der Nicht-Expat-Community.
    3. Die Sprache der Einheimischen lernen!
    4. Monothematische Kommunikationsinhalte unter Expats eindämmen. Die meisten Diskussionen unter Expats drehen sich um Erfahrungen am Arbeitsplatz oder im Alltag. Damit erfolgt keine Annäherung an die Community ausserhalb der «gated-community».


    Die Umfrageteilnehmer der neuesten Studie von «Expat Insider 2016» von InterNations wurden gebeten, mehr als 30 verschiedene Faktoren rund um das Thema Leben im Ausland auf einer Skala von eins bis sieben zu bewerten. Das Bewertungsverfahren legte grosses Gewicht auf die individuelle Zufriedenheit mit diesen Aspekten und berücksichtigte emotional geprägte Faktoren auf gleiche Weise wie sachbezogene Kriterien.

    Die Bewertungen der einzelnen Faktoren wurden dann in verschiedenen Kombinationen zu insgesamt 12 Kategorien zusammengefasst. Deren Mittelwerte bildeten die Grundlage für Rankings zu den folgenden Themen: Lebensqualität, Eingewöhnung im Gastland, Arbeit, Finanzen und Lebenshaltungskosten. Aus den Resultaten dieser Rankings wurde wiederum der Mittelwert gebildet, um das Gesamtergebnis von 35 Städten weltweit zu vergleichen. 2016 waren Melbourne, Houston, Madrid, Düsseldorf und Singapur unter den Top 5. Bereits Ende August wurde eine Studie heftig diskutiert, in deren Lieblingsarbeitsstationen Ranking die Schweiz in den letzten zwei Jahren von Platz 4 auf Platz 32 abgerutscht war.


    Als Sieger der weltweiten Expat-Studie glänzt Melbourne. Speziell die Work-Life-Balance sei dort ausgewogen, die Auswahl an Freizeitaktivitäten sei hoch, die Leute zugänglich und eine optimistische Grundhaltung sei spürbar. Gefolgt wird Melbourne von Houston, das mit einer guten Balance zwischen Lebenserhaltungskosten und Offenherzigkeit der Einheimischen zu begeistern vermag. Dritter wurde Madrid. Auch hier integrieren sich die Expats gut und freuen sich über die geringen Lebensunterhaltungskosten.

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